Wie digitale Medien uns alle in Dopamin-Junkies verwandelt haben
Bevor du dich in diese Zeilen vertiefst, hast du vermutlich schon die Headlines überflogen: kurz, knackig und leicht verdaulich. Egal, ob wir durch soziale Netzwerke scrollen, endlose Serien auf Streaming-Plattformen schauen oder uns in die Tiefen von Online-Spielen stürzen – wir sind stets nur einen Klick von der nächsten Dosis digitaler Unterhaltung entfernt. Doch während wir uns in diese Welt der ständigen Stimulation vertiefen, stellt sich eine entscheidende Frage: Wie wirken sich diese digitalen Gewohnheiten auf unser Gehirn und insbesondere auf unsere Konzentration und Leistungsfähigkeit aus?
Die Dopamin-Falle
Dopamin ist ein Neurotransmitter, der in unserem Gehirn freigesetzt wird, wenn wir angenehme Erfahrungen machen, wie etwa beim Genuss eines leckeren Essens, beim Lächeln eines geliebten Menschen oder beim Erhalten von „Likes“ auf Social-Media-Posts. Dieses „Glückshormon“ motiviert uns, solche Aktivitäten immer wieder zu wiederholen, da sie Freude bereiten.
Die Entwickler:innen digitaler Plattformen haben dieses Wissen über unser Gehirn gezielt genutzt. Jedes Mal, wenn wir eine Benachrichtigung erhalten oder durch eine endlose Timeline scrollen, wird Dopamin ausgeschüttet. Dies führt dazu, dass wir immer wieder zum Smartphone greifen – in der Hoffnung auf eine erneute Belohnung. Doch die ständige Freisetzung von Dopamin hat auch negative Auswirkungen: Unser Gehirn gewöhnt sich an die regelmäßigen Dopaminschübe und verlangt nach immer intensiverer Stimulation, um dasselbe Maß an Befriedigung zu erreichen.
Die Stimulation durch Social Media verändert zudem die neuronalen Pfade und damit die Struktur unseres Gehirns. Diese Effekte betreffen nicht nur visuelle Eindrücke, sondern beeinflussen auch unser Selbstbild, unsere kognitiven Prozesse, unser Gefühl der Verbundenheit und unser Belohnungssystem.
Die Auswirkungen auf Konzentration und Leistungsfähigkeit
Es wird zunehmend schwieriger, sich längere Zeit auf eine Aufgabe zu konzentrieren.
Die ständige Suche nach sofortiger Belohnung durch digitale Medien hat gravierende Folgen für unsere Konzentration und Leistungsfähigkeit. Unser Gehirn wird darauf trainiert, immer wieder kurze, schnell konsumierbare Inhalte zu verarbeiten, was es zunehmend schwieriger macht, sich längere Zeit auf eine Aufgabe zu konzentrieren. Komplexe Tätigkeiten, die kein unmittelbares Feedback liefern, werden als anstrengender und weniger befriedigend empfunden.
Diese „Konzentrationsflucht“ führt zu häufiger Ablenkung und erschwert das Eintauchen in einen Zustand fokussierter Arbeit, den sogenannten „Flow“. Dies beeinträchtigt nicht nur unsere Produktivität, sondern führt auch zu einem Gefühl der Unzufriedenheit, da wir weniger in der Lage sind, Aufgaben vollständig abzuschließen oder uns intensiv mit einer Sache zu beschäftigen.
Darüber hinaus leidet unsere kognitive Flexibilität – die Fähigkeit, zwischen verschiedenen Aufgaben zu wechseln und sich schnell auf neue Herausforderungen einzustellen – unter ständiger Ablenkung und Multitasking. Dies resultiert in einer verringerten Leistungsfähigkeit in beruflichen und akademischen Kontexten, wo tiefes, ungestörtes Denken und Problemlösen gefragt sind. Der einfache Zugang zu Informationen über Google oder Social Media verstärkt dieses Problem, da wir uns zunehmend eher daran erinnern, wo wir Informationen finden können, anstatt den Inhalt selbst zu behalten. Dadurch entsteht eine Abhängigkeit von digitalen Quellen, während unsere Fähigkeit, eigenständig und tiefgreifend zu denken, geschwächt wird.
Die Auswirkungen auf das Wohlbefinden
Neben den kognitiven Auswirkungen können diese digitalen Gewohnheiten unsere mentale Gesundheit negativ beeinflussen. Untersuchungen zeigen, dass exzessive Social-Media-Nutzung mit einem höheren Risiko für Depressionen und Angstzustände verbunden ist. Der Vergleich mit den perfekt inszenierten Leben anderer Menschen kann unser Selbstwertgefühl untergraben und uns in einen Teufelskreis der Unzufriedenheit stürzen. Außerdem rufen die ständigen Unterbrechungen eine geringere Leistungsfähigkeit und Produktivität hervor, welche in Unzufriedenheit und im schlimmsten Fall Burnout führen kann.
Raus aus der Spirale
Doch wie können wir aus dieser Spirale ausbrechen? Der erste Schritt besteht darin, sich unserer digitalen Gewohnheiten bewusst zu werden. Ein bewusster Umgang mit Smartphone und Co. kann helfen, die Kontrolle zurückzugewinnen. Hier sind einige Strategien, die dabei unterstützen können:
01.
Digital Detox
Nimm dir regelmäßige Social-Media Auszeiten. Ob ein „digitaler Sonntag“ ein Retreat oder eine Woche ohne soziale Netzwerke – solche Pausen können Wunder wirken.
02.
Benachrichtigungen ausschalten:
Reduziere die Anzahl der Benachrichtigungen auf dem Smartphone. Schalte Notifications aus, dein Handy auf stumm oder den Bildschirm auf schwarz/weiß. Weniger Ablenkung führt zu mehr Fokus und weniger Stress.
03.
Bewusst konsumieren
Überlegen dir, welche Inhalte dich wirklich bereichern und konzentriere dich auf diese. Schränke den Konsum von oberflächlichen oder negativen Inhalten ein.
04.
Deep Work
Lege Zeiten für Fokusarbeit fest. Schalte in dieser Zeit alle Benachrichtigungen aus und widme dich intensiv einer Aufgabe.
Quellen:
Schultz, W. (2016). Dopamine reward prediction error coding. Dialogues in Clinical Neuroscience, 18(1), 23-32.
Montag, C., & Walla, P. (2016). Carpe Diem instead of Losing Your Social Mind: Beyond Digital Addiction and Why We All Suffer From Digital Overuse. Cognitive Systems Research, 42, 13-16.
Leroy, S. (2009). Why Is It So Hard to Do My Work? The Challenge of Attention Residue When Switching Between Work Tasks. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 109(2), 168-181.
Tarafdar, M., Tu, Q., Ragu-Nathan, T. S., & Ragu-Nathan, B. S. (2011). The Impact of Technostress on Role Stress and Productivity. Journal of Management Information Systems, 27(1), 303-334.